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Man erntet, was man sät!

Aktualisiert: 7. Dez. 2021

Es gibt tatsächlich Situationen, wo meine Impulskontrolle am seidenen Faden hängt und ich das Bedürfnis habe, Menschen zu schütteln und anzuschreien. Ich tue es nicht, weil ich weiß, dass dieser Mensch daraus nichts lernt und seinerseits wahrscheinlich mit Aggression antwortet. Außerdem wäre ich kein Stück besser als er. Lieber halte ich es mit der Weisheit: „Gewalt beginnt da, wo Wissen endet und Verzweiflung ihren Anfang nimmt!“,

und erkläre meinen Kunden immer wieder, wie es anders geht. Oft beginnt die Spirale eines auffälligen Verhaltens beim Hund schon in der Früherziehung. Die Welpen werden täglich mit neuen Reizen überflutet, bis sie total überdreht sind und nicht zur Ruhe kommen können. Sie werden immer wieder zum Raufen/Spielen von ihren Menschen animiert und die einst mit den Familienmitgliedern besprochenen Grenzen werden immer wieder verschoben. Die „Kleinen“ sind ja so niedlich! Man will sie den ganzen Tag knuddeln und knutschen, dabei vergisst man total, dass sie lernen müssen, dass es Regeln gibt und Ruhe brauchen, um alle Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Es dauert oft nicht lange, bis für uns unerwünschtes Verhalten auftritt. Wenn der junge Hund dann anfängt seine Freiheiten auszuweiten und sogar Privilegien zu verteidigen, ist es oft mit der Nettigkeit seiner Menschen aus und es werden fragwürdige und aversive Maßregelungen vorgenommen.

Der junge Hund versteht die Welt nicht mehr. Er hat kein Verständnis dafür, dass unsere Lieblingsschuhe nicht als Kauknochen missbraucht werden sollten oder unser Wohnzimmer kein Spielplatz ist.


Es werden Welpenschulen besucht, die die jungen Hunde unkontrolliert zusammen Raufen, Jagen und Mobben lassen (natürlich üben Welpen das im Spiel) und Aussagen wie: “Die klären das untereinander!“ sind leider auch noch häufig anzutreffen. Stehen doch dort Menschen, die es wissen müssen. Ja, sollten sie. Bei der Hundeerziehung gehen die Meinungen sehr weit auseinander und ich frage mich immer wieder, warum manche Menschen sich einen Hund anschaffen. Um ihre Macht über ein anderes Lebewesen zu demonstrieren? Sollten Hunde doch unsere besten Freunde sein, die sich durch Loyalität und bedingungslose Liebe auszeichnen. Sie sollen unsere treuen Begleiter sein, sich immer unsere Sorgen anhören, uns trösten, wenn wir traurig sind und auf unser Hab und Gut aufpassen. Auf der anderen Seite erwarten wir ein Lebewesen, welches immer auf unsere Kommandos hört, sich, nach menschlicher Definition, angepasst und freundlich in der Öffentlichkeit zeigt und in der Lage ist, per Telepathie zu wissen, was wir von ihm möchten. Was hat das mit Freundschaft zu tun? Soll ein Freund nur das tun was ich von ihm erwarte, oder setze ich mich auch mit seinen Bedürfnissen auseinander? Da wird an einem Hund rumgezerrt und rumgerückt, er wird angeschrien oder sogar auf den Boden gedrückt, wenn er nicht so reagiert, wie wir das erwarten.

TV-Hundetrainer machen es dann noch vor. Da wird körperlich bedrängt; mit Wasserspritzen und Rappeldosen versucht, den Hund in Schach zu halten; mit Würge- und Stachelhalsbändern versucht dem Hund Manieren beizubringen. Und wenn es im Fernsehen gezeigt wird, kann es ja nicht schlecht sein. Oh Mann, dort geht es um Einschaltquoten und um viel Geld. Natürlich müssen sie spektakulär präsentieren und vermeintlich schnelle Erfolge erzielen. Das sich zuschauende, oft hilflose Menschen einen einfachen Weg wünschen, das unangenehme Verhalten des Vierbeiners schnell abzustellen, finde ich sogar nachvollziehbar. Doch es werden unreflektiert einfach Methoden am Hund ausprobiert, die Erschrecken, Bedrohen und sogar Schmerzen zufügen, nicht selten mit verheerenden Folgen: traumatisierte und ängstlich/verunsicherte Hunde, die mit Aggressionen reagieren, ohne Halt und Vertrauen zu ihren Menschen. Es gibt keinen einfachen Weg. Verhalten ist immer ein sehr komplexes Thema und ohne eine Ursache, wird nur an Symptomen rum gedoktert und das unerwünschte Verhalten gedeckelt. Die Argumentation, dass Hunde untereinander genauso agieren, hinkt bei näherer Betrachtung. Ich möchte da gar nicht näher drauf eingehen, denn das würde hier den Rahmen sprengen. Nur so viel: Hunde kommunizieren sehr fein und schmeißen sich nicht einfach mal auf den Rücken! Wir sind keine Hunde und schlichtweg nicht in der Lage, so subtil zu kommunizieren wie ein Hund.

Im Gegensatz zu unseren Hunden sind wir eher Grobmotoriker. Wir sind einfach zu langsam und unsere Sinnesleistungen nehmen viele Sachen überhaupt nicht wahr.

Auch wenn wir mit Strafe arbeiten, sind viele Regeln zu beachten. Die Strafe muss sofort, am besten im Ansatz des unerwünschten Verhaltens, und das bei jedem Auftreten des Verhaltens erfolgen und letztendlich bringen wir einem Hund nicht bei, was er stattdessen tun kann, sondern wir machen nur einen Deckel drauf. Sind wir immer so schnell und vor allem immer konsequent? Dieses Konzept hat leider auch sehr viele ungewollte Nebenwirkungen und geht nicht selten ganz schwer nach hinten los.

Es macht mir Angst, wie manche Menschen mit ihren Fellkindern umgehen. Wenn ein Hund knurrt, steif wird, bellt, dann tut er dies nicht, weil er Ungehorsam ist. Er hat einen Grund, sei es Verunsicherung, Territorialität oder gar Angst. Er möchte sein Gegenüber auf Distanz halten oder in die Flucht schlagen. Offensichtlich hat er ein Problem und fühlt sich nicht gut. Vielleicht sieht er es als seine Aufgabe an, fühlt sich aber in unserer Welt überfordert. Wenn ich dort jetzt mit einer Rappeldose den Hund noch mehr verängstige und verunsichere, kann ich für diesen Moment das Verhalten vielleicht stoppen, aber was ist beim nächsten Mal? Was macht es mit der Beziehung zu meinem Hund? Hat der Hund gelernt, wie er sich hätte besser Verhalten können und dass ich als sein Mensch ihm helfe? Ich gebe gerne Beispiele aus der Kinderwelt. Dies tue ich nicht um die Hunde zu vermenschlichen, sondern weil die Bindungsmuster und die Lerngesetze von kleinen Kindern und Hunden identisch sind. Außerdem verstehen Menschen dies oft besser. Wir geben uns sehr viel Mühe unseren Kindern die Welt und ihre Gefahren zu erklären, damit ihnen nichts passiert und sie lernen mit schwierigen Situationen umzugehen. Das ist gut so und lobenswert. Aber warum erwarten wir von einer Spezies, die ebenfalls von uns abhängig ist, dass sie alles kann und weiß? Oder lassen ihnen Freiraum und wenn sie dann tun, was Hunde eben tun, dann regen wir uns darüber auf. Irgendein schlauer Mensch sagte mal: „Man erntet was man sät.“

Wenn ein Kind nur mit Gewalt und Angst erzogen wurde und nie gelernt hat Konflikte anders zu lösen, wie wird es als junger Erwachsener, wo auch noch Hormone dazu kommen und alles in Unordnung bringen, auf Konflikte reagieren?

Hunde sind, genau wie Kinder, davon abhängig, dass wir für Sie sorgen und sie sicher durch den Alltag führen. Wenn wir nun aber für den Hund total unvorhersehbar herumschreien, ihm Schmerzen zufügen oder ihn erschrecken ist das für die Beziehung nicht gerade förderlich.

Würdet ihr jemandem Vertrauen, der ständig an euch rumnörgelt, euch anmault oder euch sogar kneift, anstatt euch zu erklären oder auch zu zeigen, wie ihr es besser machen könnt?

Die meisten Verhaltensprobleme sind hausgemacht. Ein Hund, der mit Bestrafung erzogen wurde, wird eine Strategie finden damit umzugehen, um zu überleben – er stumpft ab. Sie können ja nicht einfach ausziehen; sie sind auf uns angewiesen. Wie Hunde darauf reagieren, ist sehr vom Typus abhängig und natürlich gibt es die, die sich daran gewöhnen und abgefunden haben. Wir sprechen dann von erlernter Hilflosigkeit. Diese Hunde landen nicht bei uns, da sie ja funktionieren. Andere Hunde verkriechen sich, reagieren ängstlich/aggressiv auf Menschen und wieder andere beginnen sich zu wehren. Oft ist nicht nur die Lebensqualität vom Hund erheblich eingeschränkt, sondern dann auch die Lebensqualitäten des Halters und seiner Familie. All diese Fälle landen dann bei mir und meinen Kollegen. Dann gibt es noch die selbsternannten Hundeprofis, die mit weisen Ratschlägen kommen und die frisch gebackenen Hundebesitzer total verunsichern oder Heil versprechen, wenn man dem Hund mal zeigt, wer „das Sagen“ hat.

Niemand, absolut niemand hat das Recht, meinen Hund zu maßregeln. Ich lasse auch meine Kinder nicht von Nachbarn oder Pädagogen schelten. Mein Kind in seine Schranken zu weisen (auf nette Art) ist meine Aufgabe! Oft bekomme ich Anrufe, dass ein Verhaltensproblem besteht und die Menschen sind verzweifelt. Bei genauerer Nachfrage besteht das Problem aber oft schon lange Zeit. Mein Gott, wie leidensfähig Menschen sind. Oder ist es Scham? Der Anruf bei mir, soll Abhilfe schaffen. Sie haben sich jetzt in den Kopf gesetzt etwas ändern zu wollen, also bitte…. Wenn Menschen sich etwas in den Kopf gesetzt haben, dann möchten sie es auch – JETZT UND SOFORT. So funktioniert es aber nicht. Training ist ein Weg, ein Prozess, wo gerade die Menschen lernen müssen. Die Erfolge sind maßgeblich von der Mitarbeit der Menschen abhängig, denn ich bin nicht jeden Tag dabei und auch keine Wunderheilerin. Ich zeige, leite an und erkläre! Im Alltag umsetzen müssen es die Menschen!

Ich bemühe mich sehr, Wege zu finden, die für alle Betroffenen möglich sind, aber das Rad kann ich nicht neu erfinden.

Dies ist anstrengend und oft langwierig, aber es lohnt sich – IMMER. Viele Dinge spielen eine Rolle und das geht nicht mit Handauflegen einfach weg. Schließlich besteht das Problem ja meist schon eine Weile und hat eine Geschichte. Zugegeben ist der Weg von mir und anderen verantwortungsbewussten Kollegen meist der Längere und nicht auf einen fernsehgerechten Schnellerfolg ausgelegt. Aber er ist der nachhaltigere Weg. Versprochen!

Ich verwandele ihren Hund aber auch nicht durch Rappeldosen Würfe in ein nervliches Wrack, welches dann ggf. noch viel schwerwiegendere Verhaltensprobleme zeigt. Manchmal schaffen es Menschen nicht, ein Training durchzuziehen. Deshalb versuche ich viel zu erklären, damit sie in dem Fall wenigstens verstanden haben, dass sie mit Gewalt nichts erreichen. Es gibt jedoch auch Fälle, die mich traurig und wütend machen. Ich arbeite z.B. mit Geschirr und erkläre sowohl physiologisch, als auch psychologisch den Nachteil von Halsbändern.

Und letzte Woche sehe ich doch tatsächlich von Weitem eine ehemalige Kundin, mit ihrem Hund am Halsband und dann noch mit einer 10 Meter Schleppleine dran. Ich war zu weit weg, aber ich hätte schreien können (hab ich auch!). Reden wir mal nur von einem physikalischen Gesetz:

Masse mal Geschwindigkeit. Wenn dieser Hund losbrettert und mit seinen 35 kg auf 10 Meter voll in das Halsband rennt, wieviel Kraft wirkt dann auf den Hals des Hundes? Das ist für mich Tierquälerei und wohl nur der antrainierten Muskulatur (durch ständiges Ziehen) geschuldet, dass er sich noch nicht den Kehlkopf nachhaltig verletzt, oder gar das Genick gebrochen hat. Auch ein Geschirr würde in diesem Fall weh tun, aber es wenn dieser Hund losbrettert und mit seinen 35 kg auf 10 Meter voll in das Halsband rennt, wieviel Kraft wirkt dann auf den Hals des Hundes? Das ist für mich Tierquälerei.

Ein Geschirr hätte bei Weitem nicht das Risiko schwerwiegender Verletzungen, bis hin zum Tod. Davon abgesehen, kann die Frau den Hund weder in dem einen noch in dem anderen Fall halten. Natürlich verdiene auch ich mit solchen Problemen mein Geld, aber ich würde gern darauf verzichten, weil ich es nur schwer ertragen kann, wenn Hunde so sehr leiden… Lassen sie sich eine Herzkatheteruntersuchung von einem Klempner machen, oder ihr Dach von einem Psychologen decken? Es hat definitiv einen Grund, warum es fundierte Ausbildungen, Studien und Prüfungen dazu gibt. Sonst bräuchten wir keine Ärzte, Handwerker, Pädagogen usw. und eben auch keine geprüften Hundetrainer.



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